Smartphones im Unterricht – ein Interview


Neulich wurde ich von Christoph Ehlers, Bachelorstudent aus Hannover, angeschrieben. Er bat um eine kurze Beantwortung von sechs Fragen zum Thema Smartphones im Unterricht, für seine Bachelorarbeit.
Da es mir schwer fällt, mich kurz zu fassen, ohne oberflächlich zu sein, habe ich etwas mehr Zeit in die Beantwortung gesteckt. Somit lohnt es sich nun, daraus einen Blogpost zu machen.

Hier also das Interview:

1. Wie verbreitet sind Ihrer Meinung nach Smartphones in der Schule? Also wie viele Schüler besitzen schon ihr eigenes Smartphone?

Wie stark Smartphones durchschnittlich bei Schülern verbreitet sind, kann man an der aktuellen JIM-Studie ablesen. Ich habe den sehr subjektiven Eindruck, dass das an unserer Schule nicht wesentlich anders ist. Die Versorgung mit Smartphones nimmt mit zunehmendem Alter der Schüler zu. Aber auch einige unserer Fünftklässler besitzen bereits Entsprechendes. Kollege André Spang aus Köln hat eine Zeit lang seine Klassen entsprechend befragt und bei manchen nahezu von einer Vollversorgung berichtet.

2. Wie wirkt sich der Einsatz von Smartphones auf die Motivation der Schüler aus?

Unterschiedlich. Noch kann man bei den meisten Schülern Begeisterung wecken, wenn man die Benutzung im Unterricht zulässt. Dies liegt daran, dass es für die meisten eine neue  Erfahrung ist und weil sie mit ihrem Gerät Positives verbinden. Mit zunehmender Professionalisierung wird das Smartphone eher zu einem unspektakulären aber nützlichen Werkzeug.

3. Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass Schülerinnen und Schüler das Handy während des Unterrichts zu nichtschulischen Zwecken nutzen? (Also Facebook, Whatsapp etc.)

Gering. Die Gefahr, dass sie Zettelchen schreiben oder Käsekästchen spielen halte ich für größer. Aber selbstverständlich passiert das auch bei mir. Und ich gehe davon aus, dass ich dies meistens nicht mitbekomme. Allerdings verhindern klare Regeln und empfindliche Strafen das Ausufern dieser Art von Unterrichtsstörung. Wobei man hier auch die Grenzen des rechtlich Erlaubten bedenken muss. Ein Einziehen und Aufbewahren des Handys ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und kann selbst dann für den Lehrer erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Bei der Öffnung des Unterrichts in Richtung Internet kommt es unweigerlich ein Stück weit zu einem Kontrollverlust des Lehrers, der sicherlich von Kollegen ganz unterschiedlich belastend wahrgenommen wird. Wie weit man dies zulässt hängt nicht zuletzt auch mit dem Vertrauen zusammen das man seiner Klasse bzw. den einzelnen Schülern entgegenbringt. Ich selbst habe überwiegend positive Erfahrungen sammeln können.

4. Wie gehen Sie vor, wenn manche Schülerinnen oder Schüler noch kein eigenes Smartphone besitzen, Sie aber gerne damit unterrichten würden?

Hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten an:

  • Partnerarbeit von Smartphone- und Nicht-Smartphone-Schülern (wegen des kleinen Bildschirms vor allem für gemeinsamen Film- oder Hörbeitragkonsum geeignet oder zur gemeinsamen Erstellung von Arbeitsergebnissen – z. B. Dokumentation eines Versuchsaufbaus)
  • Arbeitsteilige Gruppenarbeit mit Internetquellen für Smartphone-Schüler und Print-Quellen für Nicht-Smartphone-Schüler (wird allerdings zuweilen als ungerecht empfunden und ist deshalb mit Vorsicht zu genießen)
  • Gruppenarbeit mit Nutzung eines Gerätes zur Erstellung des Gruppenarbeitsergebnisses (z. B. gemeinsame Podcast- oder Filmproduktion)
  • Ergänzung der Schülergeräte durch schuleigene Laptops/Tablets (soweit vorhanden) für die Nicht-Smartphone-Schüler.
  • Verzicht auf den Einsatz der Smartphones.

5. Wie hoch schätzen Sie die Risiken ein, dass Schülerinnen und Schüler durch die Nutzung ihrer Smartphones im Unterricht in Kostenfallen geraten, Seiten mit unkontrollierbaren Inhalten öffnen oder den Datenschutz verletzen?

Die Gefahr in eine Kostenfalle zu geraten – z. B. durch in-App-Käufe besteht immer. Ob nun das schülereigene Gerät im Unterricht oder privat genutzt wird. Hier sollte ein schulisches Medienkonzept, das den Schülern (auch) die Gefahren des Digitalen verdeutlicht, eine Sensibilisierung hervorrufen, die die Schüler befähigt diese Kostenfallen zu erkennen und zu umgehen.

Sollten die Kosten gemeint sein, die entstehen, wenn ein Schüler über sein Mobilfunknetz ins Internet geht, um sich die Lehrfilme anzusehen und am Wiki mitzuarbeiten, so ist zu sagen, dass ein schulisches WLAN diese Kosten (für die Schüler) gänzlich verhindern kann. Sollte es kein solches Netz geben, ist zumindest von einer internetgestützten Smartphonenutzung eher abzusehen.

Die Gefahr der Datenschutzverletzung sehe ich aber tatsächlich. Inwieweit sich Kollegen Gedanken darüber machen, dass viele Nutzungsmöglichkeiten des Internets, sei es bei der Publizierung von Podcasts, Videos, Wikibeiträgen oder von Fotos, die Übertragung personenbezogener Daten mit sich bringen, ist mir nicht bekannt. Meiner Erfahrung nach sind Schüler – vor allem in der Oberstufe – in dieser Hinsicht in hohem Maße sensibilisiert. Sie vermeiden die Nutzung von Klarnamen und fordern dies auch ein. Ferner werden ¨Veröffentlichungen¨, die passwortgeschützt und somit nur der Klasse oder dem Kurs zugänglich sind, deutlich präferiert. Diese Sensibilität mag jedoch eine Kompetenz sein, die erst im Laufe der Jahre entwickelt wird und bei jüngeren Klassen so nicht zu erwarten ist.

Die weitaus größte Gefahr wurde jedoch noch nicht angesprochen. Ich sehe die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen als bedeutend an. Jede nicht selbst komponierte Musik, die unter ein Podcast gelegt wurde, jedes Bild, das in ein Wiki oder einen Schülerfilm eingebaut wurde und jede Textpassage, die nicht richtig zitiert, in einem öffentlich zugänglichen Google-Dokument oder Schüler-Blog zu finden ist, birgt die Gefahr einer viele hundert Euro teuren Abmahnung durch Anwälte, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ich gehe davon aus, dass kaum ein Kollege und erst recht kaum ein Schüler alle Fallstricke des Urheberrechts kennt. Hier gilt es, Kollegen wie Schüler über Möglichkeiten und Grenzen zu informieren, damit die Angst vor Abmahnungen nicht dazu führt, dass eine kreative Teilhabe der Schüler am politischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Austausch auf digitalem Weg unterbleibt.

6. Wie hoch schätzen Sie die Störanfälligkeit bzw. die Fehleranfälligkeit von Smartphones im Unterricht ein?

Bei Smartphones kann der Akku leer sein, die WLAN-Verbindung kann unterbrochen werden, ein Virus kann das Gerät befallen, es kann auf dem Fußboden zerschellen und und und…

Natürlich macht man sich ein Stück weit Abhängig von der Technik.

Hier helfen zwei Dinge:

  • Didaktische Alternativen (¨Tja, wenn das WLAN nicht funktioniert bleibt uns nichts anderes übrig, als ¨normalen¨ Unterricht zu machen, also: Bücher raus und Stift gespitzt!¨)
  • Erfahrung im Umgang mit mobiler Technik (um die ein oder andere Panne schnell beheben zu können)

Wie man bei der Antwort auf Frage 4 sieht, ist es in vielen Unterrichtsszenarien gar nicht nötig, dass jeder Schüler ein (funktionierendes) Gerät besitzt. Also ist es auch nicht schlimm, wenn mal eins ausfällt.

7. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um mit Schülerinnen und Schülern  einen Unterricht mit Smartphoneeinbindung durchzuführen? Welche Vereinbarungen müssen mit Ihnen getroffen werden?

Vereinbarung: Schüler dürfen ihre Handys im Unterricht nur nach Absprache und dann auch nur unterrichtsbezogen einsetzen.

Voraussetzungen gibt es keine. Sobald ein Smartphone vorhanden ist,  könnte man es einsetzen. Es gibt jedoch förderlich Bedingungen, die die Einsatzmöglichkeiten erheblich erweitern:

  • Möglichst viele schülereigene Geräte
  • Stabiles Schul-WLAN
  • Schuleigene Geräte zum Ergänzen

8. Was muss außerdem noch bei der Einbindung von Smartphones in den Unterricht beachtet werden?

Wer ein Unterrichtsmittel einsetzt, sollte dies zumindest vorher erproben. Das gilt natürlich auch für Smartphones. Ansonsten macht man erst im Unterricht die Erfahrung, dass das, was man daheim auf seinen zwei Breitbildmonitoren geplant hat, auf dem kleinen Display eines Smartphones nicht sinnvoll umzusetzen ist.

Ferner muss man bei den unterschiedlichen Geräten der Schüler immer damit rechnen, dass mal eine App für ein Betriebssystem (vor allem für das der Firma Microsoft) nicht erhältlich ist.

Letztlich gilt es die Kritikpunkte an BYOD-Konzepten ernst zu nehmen. Das Betrifft vor allem die Bedenken, Nicht-Smartphone-Schüler könnten benachteiligt werden und Kinder weniger verdienenden Eltern würden finanziell erheblich belastet werden. Hier gibt es Gegenmaßnahmen,  auf didaktischer, wie auch auf schulkonzeptioneller Ebene.

Ich danke Christoph Ehlers für die Erlaubnis der Veröffentlichung der Fragen und wünsche viel Erfolg bei der Bachelorarbeit.

Zum Weiterlesen hier noch zwei Empfehlungen:

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