Ein Plädoyer für ein Fach „Computerkunde“


Ich bin ein Freund von Informationstechnischer Grundbildung (ITG) in der Schule. Gemeint ist damit, bei aller Wertschätzung, nicht etwa das Fach Informatik. Es geht, wie der Name es schon sagt, um Grundbildung. Und zwar von computergestütztem Anwenderwissen, nicht um Programmierung.
Meiner Meinung nach braucht es zumindest in der einen oder anderen Jahrgangsstufe ein entsprechendes Fach, das den Schülerinnen und Schülern die grundlegenden Dinge beim Umgang mit Computer und Internet beibringt.

Andere Schulen versuchen dies (aus Kostengründen oder gar [fälschlich] pädagogisch begründet) auf die einzelnen Fächer zu verteilen.
Dies kann aus meiner Sicht keinesfalls funktionieren. Zwar würde mit viel Aufwand und Engagement (Einzelner) ein übergeordnetes Curriculum verfasst und in die bestehenden Fachcurricula eingebunden werden, vielleicht gäbe es sogar die ein oder andere Schulung für das Kollegium.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Dinge im Sande verlaufen.

Die Gründe sind vielfältig.

  • „Ich habe das in diesem Jahr einfach nicht mehr geschafft.“
  • „Ach, das war obligatorisch?“
  • „Ich mach das ja schon seit Jahren. Nur halt nicht mit dem Computer. Das geht ja auch.“
  • „Ich hab’s versucht. Aber der Computer/Beamer/USB-Stick/[hier irgendwas Technisches einsetzen] funktionierte nicht.“
  • „Ich hab’s nicht so mit Computern“*

Solcherlei Sätze gibt es in abgewandelter Form immer dann zu hören, wenn es um die Implementierung neuer Inhalte in bestehende Fachcurricula geht. Dabei müssen diese Inhalte gar nichts mit Computern zu tun haben. Sei es nun Alkohol- oder Rauchprävention, Verkehrserziehung, Methodenschulung, Gesundheitserziehung oder ökonomische Bildung.
Obschon diese Themen in den Fachcurricula stehen, erarbeitet sich nur ein (kleiner) Teil der Schülerschaft tatsächlich entsprechendes Wissen fächerverbindend im Unterricht. Ich kenne kaum Schulen, die von sich sagen können, dass sie auf diesem Weg zum Ziel gekommen sind. Erst recht nicht bei der IT-Bildung.

Das heißt nicht, dass ich der Meinung bin, digitale Medien gehörten nicht in den Biologie-, Französich, oder Erdkundeunterricht. Ganz im Gegenteil!

Aber eben nicht als Ersatz für den ITG!

Ja, mehr noch: Wenn das Fach ITG die Grundlagen legen würde, dann könnte der Musiklehrer die digitalen Medien wie selbstverständlich nutzen, um sein Fachwissen zu vermitteln. Wären diese Grundlagen nicht da, würde er Stunden damit verbringen über technische Handhabung zu sprechen. Die Schüler müssten alles erst entdecken und das Fachliche (nämlich die Musik) würde entweder zur Nebensache verkommen oder es würde am Ende doch nicht digital gearbeitet werden, da dieses Procedere zu viel Zeit kostete.

Somit kann ein vorgeschalteter ITG alle Fächer entlasten, die (zum Teil berechtigte) Skepsis des Kollegiums gegenüber digitalen Medien im Unterricht abbauen und somit den Schülerinnen und Schülern schullaufbahnbegleitend moderne Arbeitsweisen ermöglichen.

Wenn also ein ITG vorbereitend stattfindet, kann es durchaus sinnvoll sein, die oben beschriebenen Sitzungen der einzelnen Fachgruppen abzuhalten und zu überlegen, wie man digitale Medien in den jeweiligen Unterricht bringt. Und von mir aus kann das dann auch gerne in die Fachcurricula eingetragen werden. Aber bitte mit dem Hinweis auf Freiwilligkeit. Alles andere wäre blauäugig (s.o.).
So wäre es eine ausgezeichnete Fortführung, Vertiefung und Anwendung des Stoffes aus dem ITG, kein Ersatz.

Auf einem der letzten Educamps hatte ich einen entsprechenden Vortrag im Gepäck. Die Präsentation füge ich hier einfach mal ein.

Welche Inhalte könnten nun in solch einem Fach Informationstechnische Grundbildung unterrichtet werden?
Hier ein paar Vorschläge (relativ unsortiert und gerne erweiterbar):

  • Räumlichkeiten (Informatikräume)
  • Netzwerkstruktur der Schule
  • Anmeldeprocedere
  • Allgemeine Computerkunde (Programme, Drag&Drop, Browser, Taskleiste, Speichern, Suchen etc.)
  • 10-Finger-Schreiben (incl. Überprüfung & Zertifizierung)
  • OpenOffice Writer
    • ggf. Cloud-Lösungen (GoogleDocs, Etherpads)
      • Kollaborieren – Teil 1
  • OpenOffice Impress
    • technische Kompetenzen
    • Gestaltungsregeln
    • Vortragskompetenz
    • ggf. Cloud-Lösungen
      • Kollaborieren – Teil 2
  • OpenOffice Calc
    • ggf. Cloud-Lösungen
  • Podcasten
  • Mit Foren arbeiten
  • Mit Wikis arbeiten
  • QR-Codes und URL-Shortener
  • Urheberrecht
    • CC-Lizenzen
    • Plagiate vermeiden
  • Suchmaschinen
    • Suchstrategien
    • Suchergebnisse bewerten
    • Algorithmenkompetenz
    • Wikipediaartikel bewerten
  • Filterblasen  und Echokammern
  • Sichere Passwörter
  • Viren, Würmer & Trojaner
  • E-Mail, Spam & Fishingmails
  • Chat(bekanntschaften)
  • Umgang mit Whatsapp/Facebook
  • Recht am Bild
  • Mobbing
  • Datenschutz/Überwachung
  • Medienabhängigkeit
  • Gewaltdarstellung in Medien
  • OPAC

Fehlt etwas in der Liste? Bitte gerne ergänzen!

*Diese Aussage „Ich hab’s nicht so mit Computern“ ist seltener geworden. Der durchschnittliche Lehrer verfügt (im Vergleich mit dem Durchschnittsbürger) über eine relativ hohe Kompetenz beim Umgang mit Computern, wie die aktuelle Studie der BITCOM und Aris zeigt.
Er lässt nur leider selten seine Schüler an entsprechende Geräte.

Creative Commons Lizenzvertrag
Die Texte und Abbildungen von André Hermes sind lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

2 Gedanken zu “Ein Plädoyer für ein Fach „Computerkunde“

  • medienistik

    Interessanter Beitrag – vielen Dank dafür! Ich finde man sollte auch in einem Fach "ITG" zumindest grundlegend die Funktionsweise eines Computers erklären. Dazu gehören zwangsläufig auch rudimentäre Kenntnisse im Programmieren. Das muss ja alles nichts Großartiges sein, aber ein kleines Programm mit Scratch zu erstellen, um die Logik eines Computers zu begreifen, sollte man schon einplanen.

  • medienberater

    Danke für die Ergänzung!
    Ich hatte diesen Bereich bisher bewusst raus gelassen, da ich nicht in Informatik "wildern" wollte.
    Meines Erachtens können ITG und "Grundlagen der Informatik" gut zwei sich ergänzende Bausteine eines "Digitale Medien-Konzepts" sein. Ob eine Schule nun ein oder zwei Fächer daraus macht, hängt sicherlich auch von den Lehrern ab, die diese Fächer unterrichten (können).